Was sind Streuobstbestände?
Man versteht darunter hochstämmige, robuste und wenig pflegebedürftige
Obstbäume im Garten, am Ortsrand und in der freien Flur.
Sie finden sich als Einzelbäume, kleinen Baumgruppen oder
Baumzeilen entlang von Wegen und Straßen, auf Äckern
und vor allem flächig auf Wiesen, verstreut in der Landschaft,
den Streuobstwiesen. Sie werden in der Regel nicht gedüngt
und nicht mit chemischen Schädlingsbekämpfungsmitteln
behandelt.
Streuobstbestände unterscheiden sich damit deutlich von
modernen Obstplantagen. Diese in Reihe gepflanzten, gleichaltrigen
Niederstammbäume dienen der intensiven Erzeugung einiger
weniger, gerade vom Markt verlangter Obstsorten.
Entwicklung des Obstbaus
Wildformen von Apfel, Birne, Süßkirsche, Pflaume und
Walnuß wurden schon in der Jungsteinzeit genutzt. Die Kultursorten
stammen aus dem Orient. Die Kunst des Okulierens und damit das
Veredeln wurde von den Griechen erfunden und von den Römern
in Europa verbreitet. In unserer Region hielt der Obstbau im
16. Jh. vereinzelt Einzug, schwang sich jedoch erst in unserem
Jh. zu wirtschaftlicher Bedeutung für die Landbevölkerung
auf. Eine starke Ausdehnung fand er um die Jahrhundertwende,
als durch die Peronospora und andere Rebkrankheiten große
Teile der damaligen Rebenbestände vernichtet wurden. In
weniger günstigen Lagen pflanzte man als Ersatz Obstbäume.
Sie lieferten nicht nur Tafelobst, sondern auch Dörrobst,
Fruchtsaft und den Most, der früher in keinem Haus fehlte.
Auf dem Höhepunkt des Streuobstbaus wurden 1938 auf dem
Gebiet von Baden und Württemberg 26 Millionen Hochstämme
ermittelt. Apfel-, Birnen-, Kirschen - und Zwetschgenbäume
prägten die Fluren, vor allem um die Ortschaften zogen fast
geschlossene "Obstgürtel".
Veränderte Qualitätsansprüche und Import machten
nach dem 2. Weltkrieg die Früchte des Streuobstbaus unattraktiv,
Altbaumbestände wurden 1957 vom Stuttgarter Landtag als
unwirtschaftlich erklärt, Rodungsprämien bezahlt und
Niederstammanlagen gefördert. Nebenbei dehnten sich Wohnsiedlungen
und Gewerbegebiete in die stark gelichteten Obstgürtel aus.
Ganze Landschaftsbereiche wandelten in den 60er Jahren ihr Gesicht.
Der Intensivobstbau übernahm die Versorgung, Streuobstbau
wurde eher zu einem Hobby.
Erst Mitte der 80er Jahre erkannte man die Ausmaße und
Folgeschäden dieser Entwicklung und förderte wieder
die Hochstämme. Nicht zuletzt aufgrund eines wachsenden
Umweltbewußtseins steigt die Nachfrage nach ungespritztem,
sortenreichem Obst.
Die Bedeutung der Streuobstwiesen
Wie kaum ein anderes Element gestalten Streuobstbestände
die Landschaft. Sie binden Siedlungen harmonisch in die Landschaft
ein. Daneben verbessern sie dort das Lokalklima, bieten Schutz
vor Wind und Wetter und dienen der Luftverbesserung. Nicht zuletzt
erhöhen sie den Erholungswert der Landschaft.
Erst in jüngster Zeit, im Zeitalter der Gentechnik, rückt
ein weiterer Aspekt in den Vordergrund. Streuobstwiesen bildeten
ein riesiges Genreservoir. Im letzten Jh. wurden allein in Deutschland
über 2.000 verschiedene Apfel- und Birnensorten angebaut.
Diese Fülle an unterschiedlichsten Erbanlagen, angepaßt
in Jahrhunderten an Klima, menschlichen Gaumen und andere Bedingungen,
erprobt in der Abwehr von Schädlingen und Krankheiten, garantierte
eine ständige Weiterentwicklung im Obstbau. Der Gentechnik
gingen viele Bausteine verloren, bevor sie sie nutzen konnte.
Die Tierwelt der Streuobstwiesen
Die Obstbäume bringen Mosaiksteinchen des Lebensraumes Wald
auf den Lebensraum Wiese. Das große Angebot an Nahrung
und Nistplätzen bietet ideale Voraussetzungen für die
Entwicklung einer reichen Tierwelt. So wurden auf einem Quadratmeter
Boden unter einem Apfelbaum 8.000 Insekten gezählt. Jüngste
Untersuchungen haben beim Vergleich ergeben, daß Streuobstwiesen
im Vorkommen von Vögeln die Obstplantagen um das 13-fache
übertreffen. Sechsmal mehr Insekten und Spinnentiere machte
man aus.
Besonders groß ist auch die Anzahl der Vogelarten in den
Streuobstwiesen. Hier können sich u. a. finden: Steinkauz,
Neuntöter, Wendehals, Grünspecht, Grauspecht, Baumpieper,
Gartenrotschwanz, Mäusebussard, Turmfalke, Wacholderdrossel,
Amsel, Kernbeißer, Grünfink, Rebhuhn, Fasan, Ringeltaube,
Buntspecht, Kleinspecht, Rabenkrähe, Elster, Grauschnäpper,
Bachstelze, Star, Distelfink, Hänfling, Girlitz, Buchfink,
Goldammer, Feldsperling und Gartengrasmücke.
Einige Tiere haben sich so eng an die Lebensbedingungen der Obstwiesen
angepaßt, daß man von charakteristischen Vertretern
spricht. Das Vorzeigeexemplar, der Steinkauz, ist in Külsheim
leider nicht mehr als Brutvogel nachgewiesen. Dafür brütet
der Wendehals noch in den Astlöchern alter, "vergammelter"
Obstbäume. |